SPRICHST DU NUR ODER KOMMUNIZIERST DU SCHON?

Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser.

Picture by Icons8 Team on Unsplash.com
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Du solltest dir unbedingt über dein Kommunikationsverhalten bewusst werden und erkennen, WIE du (nicht) kommunizierst und WIE mit dir (nicht) kommuniziert wird. Insbesondere hier lassen sich viele grundsätzliche (Lebens)Probleme finden, aber auch klären. 

 

Die meisten Menschen allerdings machen sich die Macht ihrer Sprache und auch ihrer nonverbalen Verhaltensweisen absolut nicht klar und begreifen so häufig gar nicht wann, warum und wie viele Konflikte entstehen - denn es ist eine Tatsache, dass du IMMER kommunizierst. Du kannst nicht NICHT kommunizieren und vermittelst immer irgendetwas. Es gibt unterschiedlichste Kommunikationsmodelle, die dies veranschaulichen. Ebenso kannst du ja auch nie NICHTS entscheiden - egal, was du tust, entscheidest du dich immer zu etwas - und wenn es nur dazu ist, NICHTS zu tun und NICHT zu reagieren. 

Das große Problem generell besteht darin, dass wir denken, dass das Leben IST, wie WIR es erleben. Dass die Welt so IST, wie wir sie sehen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen, denn wir sehen die Welt nicht WIE SIE IST, sondern WIE WIR SIND! Das spiegelt sich ebenfalls in unserer Art uns zu äußern und verständigen wider.

Ein chinesisches Sprichwort sagt folgendes: Es gibt drei Wahrheiten: deine Wahrheit, meine Wahrheit und die Wahrheit. Du siehst also, dass die wirkliche Wahrheit irgendwo zwischen dem liegt, was zwei Menschen für wahr halten. (Lies hierzu auch den Artikel über Glaubenssätze). Und genau hier entstehen auch unglaublich viele Konflikte. Ist man nicht bereit, die Wahrheit, dass es verschiedene Wahrheiten gibt, anzuerkennen, wird es problematisch bleiben. Oft können wir andere Menschen bloß in ihren Wahrheiten annehmen und akzeptieren und - wenn man sich nicht in der Mitte treffen kann, warum auch immer - müssen sich Wege auch schonmal trennen. Daher ist es auch unglaublich wichtig, eine Gesprächsebene zu verstehen - kommuniziert der eine auf der emotionalen Ebene (also der der persönlichen Betroffenheit) und der andere auf der Sachebene (objektive Betrachtungsweise) kann aufgrund fehlender Empathie eine Einigung oder gegenseitiges Verständnis manchmal nicht erfolgen. Argumentiert der eine immer nur aus der Sicht der persönlichen, emotionalen Kränkung anstatt andere Betrachtungsweisen zuzulassen, endet es häufig im Streit. Frage dich daher: mit wem kannst du nicht kommunizieren? Was könnten Gründe dafür sein? Warum ist es so schwierig? Kann man dich überhaupt verstehen? Nimmst du dich und deine Aussagen überhaupt selber ernst? Nimmst du andere ernst? 

 

Marshall B. Rosenberg hat das Modell der gewaltfreien Kommunikation (NVC, non-violent communication) entworfen, welches erfolgreich im Konfliktmanagement verwendet wird. Wir kommunizieren nämlich oft aus unseren Wunden und Verletzungen heraus und reagieren schnell gekränkt, beleidigt, passiv oder gar offen aggressiv. Es ist schwer, "gewaltfrei" zu kommunizieren und wir erkennen auch oft nicht, wenn andere aus der eigenen (alten) Verletzung heraus kommunizieren - und schaffen es dadurch oft nicht, die eigentliche Botschaft herauszuhören, weil sie von anderen Gefühlen, Angriff, Verteidigung und Subtext überlagert wird. 

So lange wir oder andere in unserer Sprache also - meist unbewusst - mit diversen Manipulationsstrategien (schlechtem Gewissen, Vorwürfen, Schuldzuschreibungen, Befehlen etc.) arbeiten oder andere in eine Verteidigungshaltung zwingen, kommunizieren wir aggressiv und werden entsprechende Reaktionen (Angriff, Ablehnung etc.) erfahren, wodurch sich so manches Gespräch automatisch vor die Wand fährt. Mit dieser Art der Kommunikation können keine konstruktiven Ergebnisse gefunden werden, dabei sollte ein guter Austausch insbesondere eins mit sich bringen: du bist im Anschluss schlauer als vorher - insofern können dich auch Streitgespräche erleuchten, wenn du im Folgenden daraus sinnvolle Schlüsse ziehst. Spaß machen erleuchtende, aber wenig erfreuliche Gespräche allerdings nicht und man wird ihnen zukünftig sicher aus dem Weg gehen und konstruktive, wohlwollende GesprächspartnerInnen bevorzugen. Daher mache dir bewusst: wie kommunizierst du? Macht es überhaupt Spaß oder Sinn mit dir zu kommunizieren? Auf welcher Ebene kommunizierst du? Auf welcher hörst du zu und verstehst du? Wie reagieren andere auf deine Art der Kommunikation? Wo und mit wem gibt es (Verständigungs)Schwierigkeiten? Wie gehst du mit aggressiver Kommunikation um? Wie setzt du Grenzen? 

 

Des Weiteren machen wir uns kaum bewusst, ob wir wirklich sagen, was wir sagen wollen. Wir schaffen es häufig nicht, unseren Anliegen wirklich die passenden Worte zu verleihen und wundern uns, dass wir missverstanden werden (wenn du sagst "Mir ist kalt!" anstatt "Kannst du das Fenster zu machen?"). Schwingt in unseren Aussagen immerzu ein Subtext mit und kann unser Gegenüber uns eigentlich erst nach gründlicher Analyse verstehen, könnte es schwierig werden mit einem wahrhaftigen und spannungsfreien Austausch. Damit wir unsere Wünsche aber verständlich formulieren können, müssen wir uns erst selbst gut genug kennen, um zu WISSEN, was wir eigentlich WOLLEN. Sind wir in unseren Zielen nicht klar, können wir sie logischerweise auch nicht formulieren. Es ist zum Beispiel ein klarer Unterschied, ob du jemandem in seinem Verhalten eine klare Wahl lässt ("Möchtest du mir helfen?") oder ziemlich deutlich um etwas bittest ("Ich brauche Hilfe, kannst du bitte den Müll runter bringen?"). Klarheit gilt auch für unsere Grenzen - ziehen wir sie nicht deutlich in Verhalten oder Worten ("Ich glaub, ich mag das jetzt irgendwie nicht so richtig. Hihi!"), so werden sie höchstwahrscheinlich überschritten. (Lies hierzu auch meinen Artikel über Übergriffigkeit). Also frag dich: wie klar und verständlich kommunizierst du? Sagst du wirklich, was du sagen möchtest? Weißt du überhaupt, was du erreichen oder ausdrücken möchtest? Wirst du in deiner Kommunikation überhaupt ernst genommen? Wie lässt du mit dir reden? Wer redet mit dir aggressiv und gewalttätig? Was triggert dich in einem Gespräch an? 

 

Du kommunizierst nicht nur mit deinen Worten, sondern ebenfalls nonverbal mit deinem Körper, deiner Mimik, deinen Gesten. Selbst dein Outfit, deine Frisur, deine Accessoires, dein Makeup oder dein Auto kommunizieren für dich und sagen etwas über dich aus. Genauso sind dein Wortschatz, deine Art zu sprechen und deine Stimme Visitenkarten, die viel über dich verraten. Bist du dir dieser Wirkung und dieser Art der Kommunikation bewusst? Drückst du nonverbal DAS aus, was du ausdrücken möchtest? Wie nutzt du deine Stimme? Wie souverän wirkst du? Sprichst du sehr laut/ leise/ schrill / schnell...? Lachst du nach jedem Satz? Ja, genau - achte mal da drauf, wie oft Menschen hinter ernste Dinge einen Lacher setzen, das ist wirklich kurios und wirkt merkwürdig. Tust du das vielleicht auch? Wenn ja - warum? Achte auch mal auf Gesprächslautstärken. Viele werden sehr laut, wenn sie sich nicht "gehört" oder ernst genommen fühlen. Außerdem ist es oft gar nicht so einfach, sicherzustellen, dass das Gesagte auch wirklich angekommen ist. Wenn du z.B. mit deinem Freund oder deiner Freundin immer ähnliche Probleme im gegenseitigen Verständnis habt, müsst ihr euch gemeinsam eine Lösung einfallen lassen und herausfinden, woran es liegt, dass manche Dinge nicht "gehört" oder "gesagt" werden. Im Film "How to be single" erklärt der schnuckelige Barbesitzer Tom, dass er Frauen immer ganz genau sagt und zeigt, was er für ein unbrauchbarer Typ ist - aber sie nehmen es nicht ernst und verlieben sich dann in ihn, weil sie es trotz unumstößlicher Beweise einfach nicht sehen und hören wollen. Überleg dir - wo siehst und hörst du trotz Klarheit auf der anderen Seite ebenfalls weg? 

 

Schau dir dein Kommunikationsverhalten mal genauer an, vielleicht finden sich hier bereits einige Konflikte, die du mit etwas Bewusstsein lösen kannst. Vielleicht kannst du in einigen Fällen erkennen, dass die Kommunikation nicht gewaltfrei abläuft oder ihr nicht auf derselben Ebene miteinander sprecht und so die wichtigen Botschaften ständig aneinander vorbei gehen. Lerne richtig hin zu hören und das zu sagen, was du meinst. Lass dich nicht von den Manipulationsstrategien gewalttätiger Kommunikation antriggern, sondern lerne es, dich von den wunden Punkten anderer Menschen zu distanzieren und selbst klar und gewaltfrei zu kommunizieren. Notfalls musst du dich einer Konversation auch (vorerst) entziehen und deutlich machen, dass du auf einer solchen Ebene nicht kommunizierst - denn eins ist klar: alles musst du dir nicht gefallen lassen! Und noch ein ist klar: wenn du es lernst, gut, gewaltfrei und authentisch zu kommunizieren und dich von den wunden Punkten deiner GesprächspartnerInnen genauso wie deinen eigenen zu distanzieren, wird Kommunikation einen ganz anderen Stellenwert für dich bekommen und du wirst auch den großen Nutzen von guten Streitgesprächen und Auseinandersetzungen lernen. Wenn du es schaffst, dir kommunikativ nicht mehr im Weg zu stehen, auch in diesem Lebensbereich Verantwortung zu tragen und deine Wirkungs- und Beeinflussungsmöglichkeiten zu erkennen, dann steht einem Neustart an viele Fronten nichts mehr im Weg!


„Gesagt ist noch nicht gehört,

gehört ist noch nicht verstanden,

verstanden ist noch nicht einverstanden,

einverstanden ist noch nicht getan,

getan ist noch nicht beibehalten.”

(Konrad Lorenz)

Picture by Priscilla du Preez on Unsplash.com
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Kommentare: 2
  • #2

    p6majo (Freitag, 10 Januar 2020 20:46)

    Hallo Annika,

    ich lese Deine Soulkanguruh-Sprünge sehr gern. Oft dreht es sich ja um das Thema Liebe. Deshalb würde ich an dieser Stelle gern eine provokante These in den Raum stellen. Ich bin kein Philosoph und habe auch keinen fundierten Hintergrund für meine These. Es sind einfach nur Gedanken und Du kannst den Kommentar jederzeit wieder entfernen (hoffe ich).

    Was ist Liebe?
    Kurz: Es gibt zwei Säulen der Liebe, alles darüber hinaus ist eine gesellschaftliche, moralische und romantische Überhöhung bzw. Glorifizierung.

    1. Säule: Die sexuelle Anziehung zwischen zwei Menschen, getriggert durch Schemata, biochemische Botenstoffe und eventuell Verhaltensmuster, die es uns ermöglichen sollen, einen möglichst geeigneten Paarungspartner zu finden.
    2. Säule: "kin selection" --- kurz: das durch Evolution selektierte Verhaltensmuster, sich um Kinder und nahe Verwandte bis hin zu Selbstaufgabe zu kümmern und zu sorgen.

    Beide Säulen sind bei den meisten Tierarten auf der Welt zu finden und meiner Meinung nach die Essenz von all dem, was wir als Liebe bezeichnen. Alles andere ist der Versuch, uns Menschen zu etwas Besonderem zu machen (was wir meiner Meinung nach aber nicht sind), oder aber ein moralischer Überbau oder netter formuliert, allgemein akzeptierte Wertvorstellungen, um unser Handeln in gesellschaftlich-konforme Bahnen zu lenken. Allerdings sind diese Wertvorstellungen nicht immer mit den Säulen 1. und 2. vereinbar, was die Ursache für das meiste "Liebesleid" auf dieser Welt sein könnte.

  • #1

    Teale (Sonntag, 22 September 2019 02:53)

    You're a legend Annika. Love your words and the pictures used.